Zukünftige Flugtriebwerke müssen vielfältige und dabei zum Teil widersprüchliche Anforderungen erfüllen. Einerseits erwarten die Flugzeughersteller mehr Leistung, um auch künftigen Luftverkehrsanforderungen gerecht werden zu können, andererseits drängen sie zugleich auf eine höhere Wirtschaftlichkeit. Weniger Treibstoffverbrauch und geringere Schadstoffemissionen stehen dabei an vorderer Stelle, zudem fordern Flughafenanwohner, Politik und Industrie eine deutliche Reduzierung des Triebwerkslärms.
Vor diesem Hintergrund ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) bereits seit Jahrzehnten stark in die Bemühungen involviert, die vorhandenen Potentiale zur Verbesserung der Triebwerke zu erforschen und gemeinsam mit der Industrie anwendungsreif zu machen. Das DLR-Institut für Antriebstechnik am Standort Köln erarbeitet mit Kompetenz und Engagement neuartige Triebwerkskonzepte sowie neue Komponententechnologien im Bereich Triebwerksfan, Axial- und Radialkompressor, Brennkammer und Turbine.
Modernste Test- und Versuchseinrichtungen stehen in Köln, dem Hauptsitz des DLR-Instituts, sowie in den Außenstellen Göttingen, Berlin und Trauen zur Verfügung, um die anspruchsvollen Forschungsthemen bearbeiten zu können. Die vielfältigen Anlagen umfassen hauptsächlich einen Hochleistungsrechencluster, einen 10MW-Zweiwellen-Fan- und Verdichterprüfstand, einen Turbinenprüfstand, einen Radialverdichterprüfstand, einen Prüfstand für rotierende Kühlkanäle, Hochdruckbrennkammerprüfstände für Demonstrations- und industrielle Entwicklungsversuche und vielseitig ausgerüstete Prüfstände für die Brennkammerforschung.
Die Versuchseinrichtungen ermöglichen es, Triebwerkskomponenten in Originalgröße bei realen Betriebsbedingungen zu untersuchen und zu qualifizieren. Unterstützt werden die Forschungsaufgaben durch moderne dreidimensionale, instationäre Rechenverfahren, Schallabstrahlungsmessungen und -analysen sowie laseroptische Messverfahren zur Strömungs- und Reaktionsanalyse. Wichtigste nationale Partner aus dem Triebwerkssektor sind Rolls-Royce Deutschland und MTU Aero Engines.
Im Rahmen von DLR-internen Projekten und gemeinsam mit nationalen und internationalen Partnern aus Forschung und Industrie untersuchen und entwickeln die Wissenschaftler neue Technologien. Erfolgversprechende Ansätze sind die Erhöhung der Wirkungsgrade einzelner Komponenten, die Magerverbrennung, die extreme Erhöhung des Nebenstromverhältnisses durch neuartige Triebwerkskonzepte bis hin zu offenen Rotoren und die Verwendung von alternativen Kraftstoffen.
So werden beispielsweise in dem EU-Projekt Alfa-Bird gemeinsam mit mehr als 25 Partnern wie Airbus, Rolls-Royce, Snecma, MTU und Shell Möglichkeiten untersucht, alternative Kraftstoffe für die Luftfahrt nutzbar zu machen. Hier bemühen sich die Experten, die vollständige Kette von der Kraftstoffverfügbarkeit, Produktion und Umwandlung über Lagerung und Transport einschließlich der Sicherheitsaspekte bis hin zum Verbrauch im Triebwerk energetisch und schadstoffbezogen zu bewerten und zu optimieren.
Um den Komponentenwirkungsgrad und die Leistungsfähigkeit von Turbinen zu erhöhen, betreibt das DLR-Institut für Antriebstechnik einen Turbinenprüfstand. Im Auftrag von Rolls-Royce wird derzeit eine neuartige einstufige Überschall-Hochdruckturbine für Geschäftsreiseflugzeuge, die besonders umweltfreundlich und dabei auch kostengünstig sein soll, getestet. Eine Besonderheit des Prüfstandes ist, dass er den Betrieb von Turbinen fast in Originalgröße und bei realistischen Boden- und Flugbedingungen ermöglicht. Um die aerodynamischen Eigenschaften der Turbine zu bestimmen, sind Sensoren für Druck, Temperatur und etliche weitere Messgrößen erforderlich. So wurden beispielsweise zur Erfassung der Drücke in der Turbine so genannte schnelle Druckaufnehmer verwendet, die pro Sekunde 250.000 Messwerte sammeln. Diese allein erzeugen bei der Messkampagne bereits ein Datenvolumen von 100 Gigabyte, eine große Herausforderung für die spätere Auswertung.
Ein wichtiges Kriterium zur Leistungssteigerung eines Triebwerks ist die Erhöhung des so genannten Nebenstromverhältnisses, dies kann beispielsweise mit Hilfe eines optimierten Getriebefans erreicht werden. Dieses Konzept ermöglicht eine hohe Effizienz bei geringer Lärmentstehung und wurde bereits erfolgreich auf einem Prüfstand des Instituts in Köln getestet. Der entstehende Strahllärm lässt sich besonders effektiv durch eine Verringerung der Strahlgeschwindigkeit vermindern. Die Schallabstrahlung des Fans wird im Wesentlichen von der Strömungsgeschwindigkeit im Bereich der Fanschaufeln dominiert: je langsamer hier die Luft durch das Schaufelgitter strömt, desto leiser ist das Triebwerk. Eine effektive Absenkung der Geräuschemissionen lässt sich somit durch eine Verminderung der Fandrehzahl erreichen. Ein entsprechend langsam drehendes Triebwerk würde jedoch extrem groß und schwer und damit sehr unwirtschaftlich. Eine technische Lösung dieses Dilemmas besteht in der Beibehaltung eines zwar schnell laufenden und damit sehr kompakten Kerntriebwerks, dies aber im Zusammenwirken mit einem Untersetzungsgetriebe vor dem entsprechend langsam drehenden Fan.
Eine weitere Möglichkeit zur Erhöhung des Nebenstromverhältnisses und der damit verbundenen Effizienzsteigerung und Schadstoffminderung ist die Einführung eines gegenläufigen Fans. Dieses Konzept bietet die Möglichkeit, bei gleichem Schub und Nebenstromverhältnis kleinere Triebwerksdurchmesser zu realisieren. Im Rahmen des EU-Projektes VITAL ist das DLR verantwortlich für die aerodynamische und aeroelastische sowie für die akustische und mechanische Auslegung einer solchen Fanvariante. Eine ganzheitliche Bewertung eines Triebwerks mit gegenläufigem Fan bis auf Flugmissionsebene führt das Institut für Antriebstechnik zurzeit für und mit MTU Aero Engines im Rahmen des Projektes CLAIRE II durch.
Pressemitteilung Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)