Der Luftverkehr wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Auch für Fluglotsen bedeutet das ein höheres Arbeitsaufkommen. Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR) haben untersucht, was passieren würde, wenn Fluglotsen den deutschen Luftraum nicht wie heute üblich in kleinen Abschnitten, so genannten Sektoren, sondern als Ganzes betrachteten: Fluglotsen könnten so bei geringerer Arbeitsbelastung ein höheres Verkehrsaufkommen bewältigen, Piloten hätten nur einen Fluglotsen als Ansprechpartner.
Derzeit ist der Luftraum für die Arbeit der Fluglotsen in Sektoren mit festen Grenzen aufgeteilt. Diese sind - je nach Verkehrsaufkommen - unterschiedlich groß. Fliegt ein Flugzeug in einen Sektor ein, übernimmt der Lotse es vom Lotsen des zuvor beflogenen Sektors, führt es sicher durch "seinen" Luftraum und übergibt es dann an den Losten des nächsten Sektors. Für das stetig wachsende Luftverkehrsaufkommen hat dieses System langfristig aber einige Nachteile: "Je höher und komplexer das Verkehrsaufkommen in einem Gebiet ist, desto kleiner müssen die Sektoren dort gestaltet sein", sagt Dr. Bernd Korn, Leiter der Abteilung Pilotenassistenz im Braunschweiger DLR-Institut für Flugführung. "Es ist allerdings abzusehen, dass dieses Verkleinern der Sektoren nicht endlos gehen kann, da irgendwann die Anzahl der für jeden Sektor erforderlichen Funkfrequenzen erschöpft und die Möglichkeiten der Verkehrslenkung in einem Sektor ausgeschöpft sind", so Korn weiter. Die Verkleinerung der Sektoren und damit Erhöhung der Anzahl hat noch einen weiteren Nachteil: Durch eine erhöhte Sektorenzahl müssen die Lotsen mehr Übergaben durchführen, was eine höhere Arbeitsbelastung nach sich zieht.
Steigerung der Kapazität
Das vom DLR in Zusammenarbeit mit der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH untersuchte Konzept klingt vielversprechend: Begleitet der Lotse ein Flugzeug von seinem Eintritt beispielsweise in den deutschen Luftraum bis zu seinem Ausflug in ein anderes Land, kann (ersten Untersuchungen zufolge) mit der gleichen Anzahl Lotsen deutlich mehr Verkehr bewältigt werden. Auch der höhere Arbeitsaufwand durch die häufigen Übergaben entfällt. Das Konzept bietet ebenfalls einen sehr guten Rahmen, direktere Flugrouten und damit kürzere Flugzeiten zu erreichen. Und auch für die Piloten gäbe es einen Vorteil: sie hätten den ganzen Flug über nur einen Ansprechpartner.
Bereits 2009 untersuchten die DLR-Wissenschaftler in der Studie Luftraummanagement 2020 gemeinsam mit Lotsen der DFS, ob solch ein Konzept im oberen Luftraum generell machbar sei. Aufgrund der sehr positiven Ergebnisse wurde die Studie weiter vertieft. Ende 2010 testeten acht aktive Fluglotsen der DFS in einer Simulation, wie es wäre, wenn der deutsche (obere) Luftraum als ein einziger Sektor bearbeitet werden würde. Auf kleinen Anzeigen - für jedes Flugzeug eine separate - führten die Lotsen am Ende jeweils bis zu sechs Luftfahrzeuge. "Wir haben verschiedene Varianten gestestet", erklärt Korn. "Es hat sich herausgestellt, dass die Lotsen mit sechs zu betreuenden Flugzeugen in der Simulationsumgebung gut arbeiten können. Analysen haben ergeben, dass mit diesem Verhältnis von 1:6 in etwa eine Verdopplung der Verkehrsmenge erreicht werden kann."
Aber das neue Konzept hat nicht nur Vorteile. So muss außerdem untersucht werden, was passiert, wenn sich zwei Luftfahrzeuge ausweichen müssen, die nicht von demselben Lotsen betreut werden. "Für solche Fälle haben wir Regeln erstellt, die eindeutig klären, wer wem auszuweichen hat", sagt Korn.
Es ist möglich
Die Lotsen nahmen die neuen Arbeitsabläufe nach einer kurzen Eingewöhnungsphase gut an und waren sehr interessiert an den Möglichkeiten des neuen Konzepts. Während der Tests gaben sie den Wissenschaftlern direkte Rückmeldungen, Verbesserungsvorschläge wurden festgehalten. Aufgrund des großen Erfolgs forscht das DLR-Institut für Flugführung weiter an dieser Idee. Die Wissenschaftler denken darüber nach, wie sie die Prozesse weiter verbessern können und arbeiten an Konzepten, die langfristig eine Umsetzung der Ergebnisse möglich machen. Denn es sind noch technische und betriebliche Voraussetzungen zu schaffen.